
(mmm) Montagmorgen Anfang Dezember bei der „Ratinger Tafel“. Obwohl heute im Tafelladen „Am Stadion 1“ keine Lebensmittel-Ausgabe erfolgt, herrscht rege Betriebsamkeit: Frische Ware wird in Empfang genommen, sortiert, aufbereitet, mitunter neu verpackt und nach den jeweiligen Lagerungsanforderungen in der blitzeblanken, rund 500 Quadratmeter großen Halle abgelegt. Mittendrin ist Karl-Josef Hußmann, den hier ob seiner Spanien-Affinität alle nur „Carlos“ nennen. Der 79-Jährige ist der 2. Vorsitzende der Ratinger Tafel – Ingrid Bauer, die 1. Vorsitzende wurde gerade mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet – und u.a. für die Themen Finanz-, Vermögens- und Spendenverwaltung, Arbeitsschutz und -Sicherheit, Recht und Steuern sowie das technische Gebäudemanagement zuständig. „Das Back Office ist mein Ding. Ich mache im Hintergrund alles, damit die Maschine läuft“, erzählt Hußmann, der sich seit 2015 mit Herzblut bei der Ratinger Tafel engagiert.
Hinter der „Maschine“ stehen rund 180 Menschen, die sich ausnahmslos ehrenamtlich für die Tafel engagieren, sowie vier Fahrzeuge, von denen drei werktäglich fast alle rund 50 Supermärkte, Discounter und Lebensmittel-Einzelhändler in Ratingen abfahren, um die am Ende eines Tages nicht verkaufte Ware für die Tafel abzuholen. Ein viertes Fahrzeug kümmert sich derweil um „Paletten-Ware“ der Hersteller, beispielsweise falsch etikettierte Waren oder Überschuss-Produktion. Rund 14 Tonnen werden so in der Woche bei der „Tafel“ in Ratingen umgeschlagen. Die Lebensmittel gehen dienstags, donnerstags und samstags an etwa 550 bedürftige Kunden und ihre Familien (mithin rund 1.300 Menschen), die ihre Bedürftigkeit durch einen Leistungsbescheid, konkret den Nachweis über den Empfang von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Wohngeld dokumentieren müssen. „Ratingen ist eine sehr soziale Stadt. Ob Privatpersonen oder Unternehmer, wir haben viele Spender, über die ich sehr dankbar bin“, sagt Hußmann. Man habe ausreichend Ware, einen Aufnahmestopp oder ähnliches gebe es in Ratingen nicht.
„Ein Gemeinwesen funktioniert nicht von alleine“
Hußmann, der mit seiner Familie seit 1974 in Ratingen lebt, kam eher zufällig durch persönliche Ansprache zur Tafel. Nach seiner beruflichen Tätigkeit als Abteilungsleiter Finanzen bei der deutschen Rentenversicherung Rheinland engagierte er sich zwischen 2010 und 2015 zunächst bei der Flughafenseelsorge am Düsseldorfer Airport. „Es ist mir wichtig, mich ehrenamtlich einzubringen. Das Gemeinwesen funktioniert nicht von alleine. Ich stehe dafür, dass man mitwirken muss“, sagt Hußmann beim Gespräch im Foyer der „Tafel“ (der Besprechungsraum war an diesem Tag noch proppenvoll für die inzwischen ausgegebenen Weihnachtstüten).
Gegründet wurde die „Tafel Ratingen e.V.“ im Sommer 2007 vom Sozialdienst katholischer Frauen und der Diakonie des Kirchenkreises Düsseldorf-Mettmann (seit 2015 als selbstständiger Verein). Ein Jahr darauf erfolgte die Aufnahme in den „Tafel“-Bundesverband sowie die Eröffnung des Tafelladens. Ein Blick in die Präambel beschreibt die Ziele: „Während auf der einen Seite große Mengen einwandfreier Lebensmittel vernichtet werden, leiden auf der anderen Seite viele Menschen unter Armut und Entbehrung. Der Tafel Ratingen hat es sich aus humanitärer und/oder christlicher Nächstenliebe zum Ziel gesetzt, diese Missstände zu mildern, Ressourcen zu schonen und Menschen in Not ausgleichend und regelmäßig zu unterstützen.“ Hußmann ergänzt: „Ziel unseres Vereins ist es, qualitativ einwandfreie Nahrungsmittel und sonstige Güter des täglichen Bedarfs, die im Wirtschaftsprozess nicht mehr für den Verkauf bestimmt sind, Menschen in Not zukommen zu lassen.“ Das Angebot der Tafel richtet sich an alle bedürftigen Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Kultur oder ihres Glaubens. Finanziert wird die Tafel über Geldspenden aus Handel und Handwerk, von Privatpersonen und gesellschaftlichen Organisationen sowie Zuschüssen und den Schutzgebühren, die die Kunden für die Waren entrichten.
Verstärkung wird bei der Tafel immer benötigt. Hußmann: „Wir suchen Menschen, die Interesse an der Lebensmittelabgabe haben oder einen 3,5-Tonner fahren möchten.“ Hußmann selbst nimmt gerne am öffentlichen Leben in Ratingen teil, erfreut sich am Brauchtum wie an der Arbeit der Kulturstiftung „Wasserburg zum Haus“, genießt die Radwege der Stadt („Manche enden aber immer noch im Nirwana.“) und den Marktplatz in der Innenstadt: „Da findet man alles, was man zum Leben braucht.“



