Pfarrer Ulrich Kern: Engagiert. Kritisch. Zuverlässig.

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Die Taufe als Zeichen ökumenischer Verbundenheit: Unser Foto zeigt Ulrich Kern (l.) zusammen mit dem evangelischen Pfarrer Matthias Leithe am Taufbecken der Heilig Geist Gemeinde. Foto: Beate Meurer

(mmm) Ulrich Kern, Pfarrer der Gemeinde Heilig Geist, wurde in Kleve geboren, ist aber in Düsseldorf-Mörsenbroich aufgewachsen. Geprägt haben ihn dort seine Heimatgemeinde St. Franziskus am Mörsenbroicher Ei („Das war eine sehr schöne Zeit in einer enorm großen Pfarrjugend.“) und Fortuna Düsseldorf. Mit zwölf Jahren ist er erstmals mit dem Fahrrad von Mörsenbroich zum Flinger Broich gefahren, um Fortuna zu schauen und ihr „ewige Liebe“ geschworen. „Also für mich seit 57 Jahren viel Leid und wenig Freud“, erzählt der 69-Jährige mit einem Augenzwinkern.

Nach dem Abitur lag es für ihn nahe, Theologie in Bonn und Tübingen zu studieren: „Weil ich es schön fand, in der Kirche zu arbeiten und mit ihr zu leben.“ Insbesondere in Tübingen („eine kleine Stadt des großen Geistes“) fand Kern viele Gelegenheiten, bedeutende Schriftsteller und Geistesgrößen wie Hans Küng und Walter Jens zu begegnen. „Ich glaube, dass Literatur, Kunst und Musik für die Theologie inzwischen große Lehrmeister geworden sind. Das war ja einmal umgekehrt.“ Vor allem aber stand Tübingen für eine weltoffene Theologie. „Der ökumenische Geist ist mir immer sehr wichtig geblieben, auch deshalb, weil in unserer Familie die väterliche Linie protestantisch war.“ Nach dem Studium und der Priesterweihe hat Kern in Bergisch Gladbach, Haan und Leverkusen gearbeitet, ehe er 2015 als Pfarrer nach Ratingen kam. Ein Lebensabschnitt, Kern wird im Juni 70 Jahre alt, der jetzt langsam zu Ende gehe: „Nicht abrupt, aber doch in einem überschaubaren Zeitrahmen.“ Ein wenig möchte er aber die Zeit noch mitgestalten, die verbleibt, bis aus den vier katholischen Gemeinden in Ratingen und Essen-Kettwig „ein großes Gebilde“ wird. Das werde dann wohl 2028 der Fall sein und werfe natürlich auch viele Fragen auf: „Ich bin ein optimistischer Mensch und denke, wo sich Türen schließen, gehen andere auf.“

„Der ökumenische Geist ist mir sehr wichtig.“

Allerdings zeige ihm die jahrzehntelange intensive Beschäftigung mit der Kirche auch deutlich die Grenzen dieser Institution auf, „die, wie wir inzwischen wissen, auch in Abgründe blicken lässt.“ Bei seiner Arbeit erlebe er nach wie vor eine große Bereitschaft haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich in der Kirche zu engagieren, was ja, so Kern, „mindestens verwunderlich ist angesichts ihres derzeitigen Zustands und Ansehens“. Doch Kern spürt ein Engagement durch alle Schichten und Altersstufen. Zwar deutlich weniger als vor ein paar Jahren, aber doch spürbar: „engagiert, kritisch, zuverlässig“. Das könne nur an der „fantastischen Botschaft des christlichen Glaubens“ liegen und „an der Sehnsucht vieler, in den Grenzerfahrungen ihres Lebens Spuren des Göttlichen zu ersehnen“. Vollmundige religiöse Weisheiten wolle heute aber niemand mehr hören. „Daran versuche ich mich bei meinen Predigten und Gottesdiensten zu halten. Und das entspricht auch meinem Temperament.“

Ratingen empfindet Kern als das interessanteste Tätigkeitsfeld seiner beruflichen Laufbahn. Das liege zum einen an den Besonderheiten des Stadtteils West, aber eben auch einfach daran, dass die Stadt sehr lebenswert sei und voller Kraft. „Festivals wie die ‚ZeltZeit‘, aber auch das große bürgerschaftliche Engagement gerade auch im Bemühen, Demokratie zu schützen und Ausgrenzung beim Namen zu nennen, empfinde ich als Beleg für die Bedeutung dieser Stadt.“ Seine Freizeit verbringt Kern mit seinem Freundeskreis sowie mit seiner Hündin und beim Engagement im Lions Club in Bergisch Gladbach. Ist Ratingen Heimat? „Ich musste mich in meinem Leben räumlich, beruflich und auch in meinem Beziehungsumfeld so oft verändern, dass ich mir mehr und mehr die Frage stelle, ob wir in dieser Welt je beheimatet sein können.“ Eine Antwort findet er in Beethovens letzte Klaviersonate, über die einst Claudio Arrau schrieb: „In Opus 111 versucht Beethoven zu erreichen, die Fesseln der Zeit zu brechen und Zeitlosigkeit und Unsterblichkeit zu gewinnen. Und schließlich vermag er wieder die leuchtenden Sterne des Himmels zu sehen.“ So wäre Heimat für Kern die Utopie einer erlösbaren Welt, für die Jesus Christus in Wort und Tat einsteht. „Wir werden sehen …“, sagt er zum Abschied.