Lebendige Stadtgeschichte von Hans-Peter Engel: „Dem Bürger verpflichtet“

0
13
Hans-Peter Engel beleuchtet in seinem Buch „Die Stadtverwaltung Ratingen von 1945 bis 1975“ zwei Jahrzehnte packende Stadtgeschichte, die Ratingen bis heute prägen.

(mmm) In Ratingen Urlaub machen? Für Hans-Peter Engel ist das eine Herzensangelegenheit. „In Süddeutschland bin ich zuhause, aber meine Heimat ist Ratingen“, erzählt der emeritierte Professor für Wirtschaftsinformatik im Gespräch mit Unser Ratingen. In Ratingen ist Engel in den 1960er und 1970er Jahren aufgewachsen und zur Schule gegangen, ehe es ihn für Studium, berufliche Karriere und Familie erst in die Bodensee- später dann in die Rhein-Neckar-Region zog. Die Liebe zur seiner Heimatstadt Ratingen, der Besuch des „Talschlösschens“ als Ritual am ersten Abend jedes „Heimaturlaub“, ist geblieben. Wohl auch, weil sein Vater „gewissermaßen in Parallelehe“ mehr als 50 Jahre lang mit der Stadtverwaltung Ratingen verheiratet war, erst als Verwaltungslehrling, zuletzt als Leitender Verwaltungsdirektor. Engel: „Während dieser Zeit hat mein Vater u.a. das Rechnungsprüfungsamt, das Hauptamt und das Amt des Stadtdirektors geleitet. Ich hätte blind und taub sein müssen, um nicht schon in jungen Jahren wichtige Meilensteine der Stadtentwicklung mitzubekommen und Interesse hierfür zu entwickeln.“ Während und nach seiner Schulzeit lernte Engel die Stadtverwaltung auch von innen kennenlernen – als Wahlhelfer, Telefonist und beim Duplizieren der Lintorfer Einwohnerkartei.

Leistungsfähige Kommunalverwaltung

Genug Stoff und Motivation für sein in diesem Jahr im Eigenverlag erschienenes Buch „Dem Bürger verpflichtet – Die Stadtverwaltung Ratingen von 1945 bis 1975“. Engel verspricht: „Kein trockener Verwaltungskram, sondern lebendige Stadtgeschichte.“ Wie viele andere Kommunen in Deutschland auch, hat Ratingen nach Ende des Zweiten Weltkrieges große Wandlungen erfahren. „Nach Überwindung der unmittelbaren Kriegsfolgen bescherte ein wirtschaftlicher Aufschwung mit einhergehenden Strukturbereinigungen der Stadt erhebliche Auswirkungen ihres Verantwortungsbereiches und bis 1975 eine Vervierfachung ihrer Einwohnerzahl“, so Engel. Dass solche Entwicklungen nur mit einer leistungsfähigen Kommunalverwaltung und den dort tätigen Menschen möglich sind, die ihrerseits immer wieder mit neuen Aufgaben und Problemstellungen konfrontiert sind, zeigt Engel auf knapp 300 Seiten mit vielen Bild- und Textdokumenten anschaulich.

Die Leser folgen Engel beispielsweise durch die schwere Zeit des Wiederaufbaus und der Wohnungsnot nach dem Krieg, als die britischen Besatzer den Ton in Ratingen angaben, den „Gewaltakt der Währungsreform“ im Jahr 1948, deren Durchführung die Stadt auf sich allein gestellt stemmen musste, den anschließenden wirtschaftlichen Aufschwung mit explodierender Bautätigkeit (Engel: „hoch, tief, öffentlich, privat und schwarz.“), den heute längst vergessene Fund von Kampfstoffen am Sandbach, die die Trinkwasserversorgung Ratingens 1958 lahmzulegen drohten (und bundesweit die Presse beschäftigten), das erfolglose Ringen Ratingens um den Ausbau des Stadtteils Tiefenbroich und in der Folge die Entstehung von Ratingen West, oder das Scheitern der Auseinandersetzungen um einen Ausbaustopp des Düsseldorfer Flughafens (Engel: „Mit allen guten und  schlechten Seiten, die die Ratinger noch heute täglich erleben.“). Und nicht zu vergessen das „Abenteuer“ der Kommunalen Neugliederung 1975, bei dem die Stadt ihre Rechtspersönlichkeit verlor, Ratssitzungen ein halbes Jahr ohne Stadträte stattfanden und die Bevölkerung über Nacht um rund 30.000 Bürger anwuchs.

Hinter allen Verwaltungsakten ist auch ein Bild der Menschen entstanden, die in einer Zeit großer Herausforderungen ihr Berufsleben bei der Stadt verbracht haben, um die Geschicke Ratingens nach bestem Wissen und Gewissen in geordnete, zukunftsträchtige Bahnen gelenkt haben. Mehr als 150 an der Stadtgeschichte beteiligte Personen werden in der lesenswerten Chronik aufgeführt, die Leistungen der vier zwischen 1946 und 1975 amtierenden Stadtdirektoren, „die“, so Engel, „alle auf die eine oder andere Weise dazu beigetragen haben, dass Ratingen so wurde, wie wir es heute kennen“, gewürdigt. Engel: „Dass ich dabei mehr als 18.700 Quellenseiten verarbeitet habe, wird außerhalb des Ratinger Stadtarchivs, dem ich zuvorderst für die Unterstützung danke, vermutlich niemand glauben.“ Engel hat aus nüchternen Verwaltungsberichten, Sitzungsprotokollen und Organisationsplänen zwei Jahrzehnte Stadtgeschichte anschaulich auf den Punkt gebracht. Chapeau!