(mmm) Auf seine farbstarken Bilder des abstrakten Expressionismus wurde ich bei einem Geschäftstermin in der Nähe des Check Point Charlie in Berlin aufmerksam. Dabei ist der Lintorfer Michael Großer erst seit Juni offiziell „freischaffender Künstler“, studiert als 61-Jähriger sogar noch „Freie Kunst“ an der Hochschule der bildenden Künste in Essen, wenn man so will auf dem zweiten Bildungsweg. Denn zuvor war der gelernte Bankkaufmann über viele Jahre im Bankenvertrieb von zwei Versicherern tätig. Schon als Kind begeistert von Malerei und Design, hatte sein Vater Egon Großer, damals jüngster Waldhornist der Dresdner Philharmoniker, indes andere Pläne mit ihm. Und dennoch: DasŒuvre von Michael Großer, in Düsseldorf geboren, seit 1996 in Ratingen lebend, ist groß wie für den Betrachter inspirierend. Matthias M. Machan traf den Künstler, der im Herbst in Düsseldorf (DC Open Galerie Bengelsträter) und mit einer großen Vernissage in Berlin zu sehen ist, zum Interview.
Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Ich war immer schon begeistert von Malerei und Design, habe in jungen Jahren viel gezeichnet und entworfen. Mein Kunstlehrer hat mich bei meinem Wunsch des Kunststudiums an der Kunstakademie in Düsseldorf unterstützt. Doch mein Vater hatte andere Pläne mit mir, wollte, dass ich erst einen vernünftigen Beruf erlerne. Die Banklehre, die mich mit der harten Finanzwelt konfrontierte, war für mich ein heftiger Bruch. Konditioniert durch mein Elternhaus und die Erwartung der Gesellschaft nach Karriere und Wohlstand, habe ich viele Jahre meine eigenen Bedürfnisse nach kreativer Entfaltung völlig zurückgestellt.
Letztlich war es meine Frau, die an mein Seelenglück dachte. Sie schenkte mir einen Malkurs beim Evangelischen Familienbildungswerk in Ratingen. Das war wie eine Offenbarung, bei der die kleine Flamme, die immer in mir loderte, ausbrach und ein gewaltiges Feuer auslöste. Gefesselt von der Farbgewalt der Expressionisten hielt ich mich anfangs noch an abstrahierten gegenständlichen Themen fest, die ich mit zunehmender Sicherheit verließ und mich der gegenstandslosen Kunst widmete.
Was ist Ihre künstlerische DNA?
Durch Spontanität, emotionale Intensität und die Betonung des Malaktes selbst stelle ich mit abstrakten Formen, Gesten und Farben komplexe Emotionen und psychologische Zustände dar. Die Betonung der persönlichen Ausdruckskraft lässt jedes Kunstwerk zu einem einzigartigen Manifest der Psyche werden, wodurch eine direkte und kraftvolle Verbindung zwischen mir und dem Betrachter entsteht.
Ihr Werk wird durch kräftige Farben geprägt …
Ich bin ein sehr lebensbejahender positiver Mensch und nutze die Farben, um meine eigenen Emotionen auszudrucken und beim Betrachter eine Stimmung zu erzeugen. Farbe ist Leben – die Welt ist ja nicht nur derzeit oft schon trist genug.
Sind Ihre Werke auch Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels und der globalen Herausforderungen?
Natürlich. Wir können uns nicht gegen solche äußeren Einflüsse und Stimmungen abschotten. Sie belasten uns, führen zu Ängsten. Sie sind unterbewusst immer da und werden in meiner Malerei verarbeitet.
Wie wird die Kunstszene über Ratingen hinaus auf jemanden aufmerksam?
Das ist leider nicht einfach. Es gibt für Künstler kaum Ausstellungsräume, um auf sich aufmerksam zu machen. Und ich meine damit nicht Arztpraxen, Apotheken oder leerstehende Ladenlokale. Zudem der Einfluss aus Düsseldorf gigantisch ist und dabei regionale Entwicklungen überstrahlt. Ich bin gespannt auf das Jubiläumsprogramm des „Museum Ratingen“ und hoffe, dass man hier auch einheimischen Künstlern mehr Raum schenkt.
Wann haben Sie gemerkt, dass die Arbeit als bildender Künstler mehr ist als nur eine Freizeitbeschäftigung?
Bei meiner Ausstellung 2022 in Lintorf kam ein älterer Mann auf mich zu. Er führte mich vor die Schaufenster und beschrieb mir sehr beeindruckt, was er in meinen Bildern sah: „Ich habe in meinem Leben schon viele Künstler kennengelernt, aber in Deinen Bildern sehe ich so viel Leidenschaft und Mut, Gefühl und Dynamik wie schon lange nicht mehr. Das ist Deine Berufung.“ Es war Hedi El Abed, ein nicht nur in Düsseldorf sehr bekannter tunesischer Künstler. Beflügelt von seinen Worten und mit seiner Unterstützung suchte ich Rat bei anderen Künstlern. Schnell war klar, ich wollte meinen früheren Wunsch des Kunststudiums endlich nachholen. Bei einer Ausstellung im „Kunstbüdchen“ lernte ich Gereon Krebber, Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf, kennen. Er empfahl mir das Studium der „Freien Kunst“ in Essen.
Gemalt wird aber in Düsseldorf?
Mein Atelier ist in Düsseldorfer-Flingern im Hinterhof einer alten Industriehalle aus Backstein mit hohen Decken und großen Fenstern. Der ideale Platz zum Entfalten.
Ihr Lieblingsplatz in Ratingen?
Landschaftlich die Auermühle, aber zum mal eben hinsetzen und genießen liebe ich den Marktplatz. Was ich an Ratingen mag, ist der hohe Wohnwert, die tollen Geschäfte, das viele Grün.
Ratingen braucht unbedingt noch …
… ein kulturelles Zentrum, in dem auch Autodidakten mehr Ausstellungsfläche bekommen. Wo sonst sollen Talente entdeckt und gefördert werden?