Jan Rohlfing: Meilenstein eines Brückenbauers

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Der Schlagzeuger Jan Rohlfing hat mit „Menschenbilder“ ein Hörbuch über Menschen und Schicksale, die ihn berühren, produziert. Foto: Jochen Rolfes

(mmm) Von Lintorf über Köln nach New York und Los Angeles und wieder zurück: Als Schlagzeuger hat Jan Rohlfing eine Weltkarriere gemacht, lernte, inspiriert vom Jazzpianisten George Maycock, der ein guter Freund der Familie war, zunächst bei Herwig Mitteregger (Spliff, Nina Hagen), später u.a. bei Joe Porcaro, Vater des legendären Toto-Drummers Jeff Porcaro. „Die Jahre in New York und Los Angeles waren die wichtigste Zeit berufliche Entwicklung“, erinnert sich der 61-Jährige im Gespräch mit Unser Ratingen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland gründete Rohlfing 1988 das renommierte „Drummers Institute“ sowie das Düsseldorfer Band-House. Und auch das gehört zu seiner musikalischen Vita: Über drei Jahrzehnte spielte er hierzulande in nahezu allen Musicals und Theatershows von Rang und Namen, ob Starlight Express, Cats, Rocky Horror Picture Show, Evita oder Phantom der Oper. Da kamen schnell über 300 Auftritte im Jahr zusammen. Tempi passati. Fortan standen und stehen „Freiheit und Inspiration für neue Projekte“, etwa im eigenen Lintorfer Studio „Sound Lab Production“ im Vordergrund.

2015 erschien als CD das Projekt „Wort & Musik“ mit Gedichten u.a. von Else Lasker–Schüler, Erich Kästner und Rose Ausländer. Es folgte ein preisgekröntes Hörbuch (beste Neuerscheinung der hr2/ARD Bestenliste) über die Dichterin Rose Ausländer, für das Rohlfing nicht nur die Musik komponierte, sondern auch für die Dramaturgie und Produktion verantwortlich zeichnete. 2022 veröffentlichte Rohlfing mit „Herbert Rubinstein – Meine vier Leben“ ein weiteres Hörbuch, für das er die Musik komponierte, die Dramaturgie erstellte und das komplette Projekt produzierte. Der Lohn: eine Auszeichnung der Süddeutschen Zeitung als bestes Hörbuch 2022 sowie die jeweilige Nominierung für den Deutschen Schallplattenpreis. „Es sind die Menschen und ihre Schicksale, die mich berühren“, erzählt Rohling, der sich als (musikalischer) Brückenbauer versteht und dessen Herz nach wie vor als Jazzer und Drummer schlägt: „Am Schlagzeug bin ich ganz bei mir.“

„Menschenbilder. Wider das Vergessen“

Vergangene Woche ist sein neuestes Hörbuch erschienen, ein berührender Tonträger, in dem über zwei Jahre Arbeit stecken und das seine Frau, die Cellistin und Musikmanagerin Eva-Susanne Rohlfing, als einen „Meilenstein“ bezeichnet: „Menschenbilder. Wider das Vergessen“ erzählt über den großen „entarteten“ Düsseldorfer Künstler Otto Pankok (1893–1966), der viel Zeit mit den Menschen am Rande der Gesellschaft verbrachte, insbesondere mit den Düsseldorfer Sinti, die auf dem „Heinefeld lebten, auf dem er sich einen ehemaligen Hühnerstall als Atelier eingerichtet hatte. Sinti und Roma erfahren auch heute noch Ablehnung und Ausgrenzung. Den Vorurteilen, so Rohlfing, könne man nur begegnen, wenn wir Sinti und Roma so wahrnehmen, wie Otto Pankok es getan habe – als Menschen.

Ein Hörbuch über einen Maler, kann das funktionieren? So viel sei verraten: Es funktioniert so authentisch, dass sich die Macher zeitweilig fragten, ob dies den Hörern überhaupt zuzumuten sei. Es ist! Denn es ist einmal mehr die einfühlsame Musik (dabei sind u.a. das Feigeli-Prisor-Quartett, Eva-Susanne Rohlfing am Cello, die Sängerin Marianne Rosenberg sowie der Gitarrenvirtuose Lulo Reinhardt zusammen mit der weißrussischen Künstlerin Yuliya Lonskaya), die alles miteinander verbindet – eine universelle Sprache, die mitunter mehr sagt als viele Worte.

Das Hörbuch folgt den Spuren der von Otto Pankok porträtierten Menschen. Es basiert auf jahrelangen Recherchen der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und dem lange verschwiegenen Leid der Opfer des Völkermords. Wer waren diese Menschen? Wohin führte ihr Weg? Wer überlebte den Völkermord zwischen 1933 und 1945? Rohlfing: „Die damalige Unmenschlichkeit und Gefühllosigkeit machen mich fassungslos – doch der Mut und die Zivilcourage eines Otto Pankok geben mir Hoffnung, beeindrucken mich zutiefst. Die Geschichten müssen erzählt werden. Wir dürfen nicht schweigen, sondern müssen hinschauen – und den Unterdrückten ein Gesicht und eine Stimme geben.“ Mit dem Hörbuch (Griot Hörbuchverlag), bei dem Jan Rohlfing für Konzeption, Dramaturgie, Produktion sowie musikalische und künstlerische Leitung verantwortlich war, ist ein eindringliches wie persönliches Zeugnis in Wort, Musik und Bild entstanden. Ein lebendiges Echo jener, die Pankoks Werk und Zeit geprägt haben.