
(mmm) Der Sound der Welt kommt am 28. Juni wieder nach Ratingen. Es ist Folkerdey-Zeit. Matthias M. Machan sprach mit den beiden Festival-Machern Thomas Gurke und Alex Otto über die Anfänge des Festivals und über aktuelle Herausforderungen.
Das Folkerdey Festival ist ja längst kein Geheimtipp mehr. Was sind die Meilensteine seit dem Start in 2007?
Thomas Gurke: Definitiv die Größe und Professionalität des Festivals. Da staunt man selber nicht schlecht, wenn man sieht, wie viel Material und Akteure mittlerweile benötigt werden, um Folkerdey jedes Jahr zu veranstalten. Vor allem aber bin ich jedes Mal vom Enthusiasmus des Teams und der ehrenamtlichen Helfer beeindruckt. Das steckt an und motiviert mich jedes Jahr aufs Neue! Wichtige Meilensteine sind für mich das Festival zum zehnjährigen Jubiläum an zwei Tagen und die Gründung des Fördervereins Folkerdey Ratingen im Jahr 2019.
Alex Otto: Seit dem dritten Jahr ist das Festival „fertig“ und sieht so aus wie heute. Die Gründung des Fördervereins war eminent wichtig für die Finanzierung des Festivals.
Haben Sie damals, als gerade einmal 100 Zuhörer kamen, an den Erfolg des Festivals geglaubt und geahnt, dass es ein Longseller wird?
Gurke: Ja und Nein. Einerseits wussten wir, dass wir hier was ganz Besonderes an einem ganz speziellen Ort, dem eisenzeitlichen Gehöft, machen. Andererseits wussten wir nicht, ob in Ratingen genug Menschen unbedingt Folklore und Weltmusik hören möchten, um jedes Jahr zu einem Festival zu kommen. Wir haben das zunächst so gehalten, einfach jedes Jahr weiter zu machen, dadurch ist das Festival in seinen Strukturen stetig gewachsen.
Otto: Es ist mit dem dritten Festivaljahr allen Beteiligten klar geworden, dass wir etwas Wertvolles erschaffen haben.
Was ist aus Ihrer Sicht die DNA des Festivals, was macht es so einzigartig?
Gurke: Es ist eine Mischung Lokalem und Globalem. Viele Besucher kommen aus der direkten Umgebung dorthin und nutzen das Festival fast wie so eine Art Klassentreffen. Ich finde auch, dass unsere Musikauswahl eine Rolle spielt. Ein wichtiger Punkt ist die familiäre Atmosphäre und das einzigartige Team, welches mittlerweile um Folkerdey herum gewachsen ist. So ist es auch für uns intern immer wieder schön, jedes Jahr erneut aufeinander zu treffen, um diesen Tag zu gestalten.
Otto: Es gibt keine Location in Ratingen, die so schön ist wie diese. Ich genieße den Abend vor dem Festival, wenn alles aufgebaut und beleuchtet ist und noch keine Besucher da sind. Es ist nur Grün drumherum, illuminiert von ungezählten Lampions. Man macht hier als Besucher des Festivals wirklich einen Tag Urlaub.
„Viele Hände erschaffen zusammen etwas Großes“
Wie wichtig ist das Zusammenspiel aus familiärer Atmosphäre, ehrenamtlichen Helfern und dem Netzwerk Ratinger Unternehmen?
Gurke: Familiäre Atmosphäre ist der wichtigste Punkt und gleichzeitig die am häufigsten genannte Beschreibung des Festivals durch die Besucher. Das findet auf mehreren Ebenen statt. Man merkt, dass es beim Folkerdey nicht ums Geldverdienen geht. Wir agieren mit Herzblut. Essen und Trinken haben wir zu keiner Zeit an externe Akteure abgegeben. Alles wird liebevoll und familiär hergerichtet – das merken die Besucher.
Otto: Viele Hände erschaffen zusammen etwas Großes. Hier arbeiten ganz viele Leute auf Augenhöhe zusammen.
Was macht den Veranstaltungsort aus Ihrer Sicht so besonders?
Gurke: Das eisenzeitliche Gehöft ist ein magischer Ort. Wenn es dieses Gelände nicht geben würde, würde es auch Folkerdey nicht geben. Wir waren von Beginn an fasziniert. Der Ort hat uns gefunden.
Sieht man von den ganz großen Open-Air-Festivals im Lande ab, tun sich viele andere Veranstalter über alle Genres hinweg seit geraumer Zeit sehr schwer, um überhaupt weiter bestehen zu können …
Gurke: Folkerdey ist nie mir riesigen Erwartungen oder Budgets an den Start gegangen. Wir arbeiten seit jeher sehr nachhaltig, sparsam und kreativ und haben ein gutes Netzwerk erarbeitet. Und auch die Stadt unterstützt uns seit jeher sehr verlässlich. Erwähnen möchte ich auch das Engagement von den Stadtwerken, der Sparkasse und vielen lokalen Unternehmen.
Otto: Für ein Festival mit elf Acts über zehn Stunden im Grünen sind unsere Eintrittspreise unverschämt günstig. Aber wir wollen ja ein Fest für alle Ratinger veranstalten. Es gibt zum Glück die Kulturförderung der Stadt, die den Wert des Festivals frühzeitig erkannt hat. Das Festival soll für alle erschwinglich bleiben.
Was sind dieses Jahr die musikalischen Highlights des Festivals, worauf freuen Sie sich ganz persönlich?
Gurke: Ich freue mich wirklich auf alle Bands, ob aus Spanien oder aus Minneapolis, wo ich selbst mittlerweile lebe. Noch nie war ein Folkerdey gleichzeitig so urwüchsig und so modern.
Otto: Jeder Act ist ein musikalisches Highlight. Unsere Liste an Künstlern ist immer länger als wir an Slots für das Festival vergeben können.
Das Festival ist ein Hotspot der Weltmusik. Gibt es dennoch Künstler & Ensembles, die aus der Region kommen?
Gurke: Die „Reel Talents“ der Musikschule Bonn bringen irischen und schottischen Folk auf die Bühne. Und die DBG-Big-Band, die von Alex Otto dirigiert wird, wechselt gekonnt zwischen sinfonischem Rock und groovigem Jazz.
Folkerdey ist für die Besucher Lebensfreude pur. Für Sie als Veranstalter auch? Was sind aktuell die größten Herausforderungen?
Gurke: Jedes Jahr ist das Finanzielle eine Herausforderung, auch wenn wir jedes Jahr immer besser mit den lokalen Akteuren, beispielsweise in Sachen Veranstaltungstechnik, agieren. Die Veranstaltungstechnik ist teuer geworden, wir selbst verdienen nichts am Festival.
Otto: Es wird immer schwieriger, ehrenamtliche Helfer, die richtig mit anpacken, für unser Festival zu finden. Am Abend bauen 20 Menschen ein Festival ab, zu dem 1.000 Besucher kommen. Zudem ist die Finanzierung immer wieder eine Herausforderung. Dennoch: Der Folkerdey-Tag ist für uns der schönste Arbeitstag im ganzen Jahr.
Nach welchen Kriterien wird das Line-up aufgestellt und woher kommen Ideen für neue Künstlerinnen und Künstler?
Gurke: Alex Otto und ich haben keine festen Kriterien, aber wir hören beide oft die gleiche Musik. Meistens treffen wir uns bei der irischen Musik als gemeinsamen Nenner. Die Musik muss einen eigenen Ansatz haben und idealerweise tanzbar sein, damit sie sich aufs Publikum überträgt.
Otto: Es müssen Künstler sein, die es schaffen, das Publikum zu „greifen“.
Sie sind selber Musiker/Gitarrist. Wo sind Sie musikalisch zu Hause?
Gurke: Ich bin ein Kind aus den musikalischen 90ern, komme aus der Rockmusik, habe aber auch Tanzmusik und Jazz gemacht. Mittlerweile aber eigentlich nur noch irische Musik.
Otto: Ich bin Musiklehrer, habe eine große Schüler Bigband, bin in allen Stilen zu Hause, liebe es aber, irische Sessions zu spielen. Mich kann man musikalisch in keine Schublade stecken. Musik muss für mich neu und frisch sein.
Kaum einer weiß über Folkerdey, dass…
Gurke: … das das Dach der Zeltbühne spezifisch für uns gemacht wurde und auch uns gehört.
Wie viel Arbeit ist über das Jahr verteilt mit dem Festival verbunden?
Gurke: Wir starten im August mit der Planung für die Folkerday-Jahrgänge 2026, unser Jubiläumsjahr, und 2027. Unser Kernteam besteht aus sieben, acht Menschen, die Alex Otto und mir bei der Planung helfen. In der heißen Phase sind dann viele Freunde und Bekannte dabei, die uns helfen. Da kommen wir fast auf 100 Helferinnen und Helfer.
Und nach dem Festival machen Sie erst einmal Urlaub?
Gurke: Man fällt direkt nach dem Festival immer in ein kleines Loch. Das ist schön, weil man sich entspannen kann, aber es ist auch schade, weil es vorbei ist.